zur Diskussion: Romantischer Orgelbau

Vorwort - zur Diskussion

Als Wolfgang Metzlers Buch "Romantischer Orgelbau in Deutschland" im Jahr 1965 erschien, waren die Verhältnisse im Orgelbau diametral zur heutigen Zeit gesetzt.
In diesem Jahr hatte die Firma Walcker ihren höchsten Umsatz und den größten Output an Einzelinstrumenten in ihrer gesamten Geschichte, während der heutige Orgelbau in Deutschland sich mit handverlesenen Einzelaufträgen begnügt.
Romantischer Orgelbau war out, Neobarock die gängige Disponierweise.
In der Nachkriegszeit hatten die Deutschen gelernt Abstand von der Vergangenheit zu nehmen, und da war es gut, bei einem Neuanfang gleich zweifelhafte Stilbildungen, wie es die (Spät)romantik zu sein schien, völlig auszuklammern, gar massiv zu attackieren.
Mein Vater, Werner Walcker-Mayer, hat es als seine familiengeschichtliche Aufgabe angesehen, dem Gedenken an die deutsche Orgelromantik, die wesentlich von der Orgelbauerfamilie Walcker mitgestaltet wurde, neue Impulse zu geben.
Und er war dankbar Autoren wie Hans Joachim Moser und Wolfgang Metzler zu finden, die solche wertvollen Bücher über einen damals völlig vergessenen Orgelstil, der Orgelbau und Orgelkomposition einschloss, zu finden.
Das waren Schriften die lange vor den gesellschaftlichen Verwerfungen und Wandlungen im Orgelbau der Nachkriegszeit geschrieben waren. Taschenladen galten in den 50er und 60er Jahren als Teufelszeug und wurden von Orgelbeweglern wie Klotz oder Bornefeld grundsätzlich als qualitativ minderwertig eingestuft und aussortiert. Erst 40 Jahre nach Ende des II.Weltkriegs fanden vorsichtige Neubewertungen statt.
Die musikalischen Vorzüge von Taschenladen können ja auch nur unter Akzeptanz von romantischer Orgelmusik von Mendelssohn bis Karg-Elert verstanden werden. Bei der Intonation an solchen Instrumenten bemerkt man, wie die organisch geformte Tasche mit der Pfeife an der Klangentstehung mitwirkt und ist erstaunt, wie weich z.B. Zungenpfeifen ansprechen können. Es gibt heute Orgelbauer in Deutschland die nur Taschenladen bauen.
Es ist also keine Frage mehr, dass die postmoderne kulturelle Vielfalt sich auch im Orgelbau niedergeschlagen hat. Grundsätzlich wird man kaum mehr auf Widerstand gegen die "Romantik" treffen, wobei ich mehr und mehr den Verdacht habe, dass diese Begriffe verschliffen werden und eine gewisse Beliebigkeit in heutige Orgelgestaltungen einzieht.
Schöne Dispositionen mit wundervollen Registernamen machen sich breit, die allesamt nichtssagend klingen, weil wir am Ende ein kräftiges Tutti hören wollen. Vor allem Lautstärke, das wäre ein Charakteristikum der heutigen Orgel, das manchen Kirchenbesucher seinen Sitzplatz zu taxieren zwingt. Während wir in der Romantik das "lückenlose Crescendo" selbst kleiner Orgeln als Klangziel angestrebt hatten.
Ich erinnern mich an Gespräche mit Organisten, die ein "Zurück zur Orgel der 60er Jahre" wollen, weil das der letzte originale Orgelstil war, der mit seiner präzisen Ansprache der Pfeifen und spezifischer Charakteristik (so z.B. Rössler-Mensuren) viele neue Freunde gefunden hat, nachdem man die Orgelwelt der 60er Jahre als das Böse schlechthin, wie zuvor die Spätromantik, bezeichnet hat. Und in der Tat erleben wir heute die Wiederauferstehung der Serienorgel, die aus aller Welt mir Grüße zukommen lässt, sei es aus Polen, Italien, Brasilien oder Kolumbien, wo ich nächstes Jahr eine Intonationsarbeit durchzuführen habe.
Alle diese Verführungen der Orgel, die als einziges Instrument einen statischen Klang in sich trägt und als einziges klassisches Instrument einer permanenten Wandlung unterliegt, sollten uns Hoffnung geben, dass sie weiterlebt.
Denn wer sich wandelt, wer einer Evolution unterliegt, hat kein Problem mit der Anpassung.
gwm

gerne nehme ich Vorschläge, Ideen, Diskussionsbeiträge zu diesem Vorwort, das bei einer Neuauflage des Buches "Romantischer Orgelbau in Deutschland", erscheinen soll, entgegen:
gerhard@walcker.com