0614 Huettengesaess

Opus 614 Grafik Brueckner (gwm modifiziert)

Walcker-Orgel Opus 614 in der Evangelischen Kirche Hüttengesäß
pneumatisches Kleinod von 1892
63549 Ronneburg-Hüttengesäß / Hessen

Wie an der kalligrafischen Aufschrift am Orgelspieltisch eindeutig zu entnehmen ist, wurde diese pneumatische Orgel 1892
von E.F.Walcker & Cie. Ludwigsburg-Württemberg als Opus 614 erbaut. Allerdings stand das Instrument damals über dem Altar an der Giebelseite, wo heute das schlichte Kreuz hängt. Die Kosten von 3.522 Reichsmark konnte man nur mit Anleihen und Sonderkollekten bezahlen. Zusätzlich wurde noch ein Fenster zugemauert.
1953 wurde das gesamte Kircheninnere nicht gerade zimperlich verändert, man wollte mehr Licht und Platz schaffen: die Orgel wanderte auf die gegenüberliegende Westseite, die obere Doppelempore verschwand einfach, ebenso der Schalldeckel über der Kanzel. Bestimmt würde man heute alte Substanz mit mehr Respekt und Sachverstand bewahren und sanieren, aber damals die gutgemeinte Aufräumwelle voll im Trend der "Neuen Sachlichkeit".
Jedenfalls, die Orgel präsentiert sich mit dem schönen Neorenaissance-Gehäuse im Historismusstil heute noch genauso wie 1892:
9 Register sind disponiert, davon 4 im Hauptwerk, 3 im Nebenwerk, 2 im Pedalwerk:
Konzeption: dynamische Abstufungen: im Hauptwerk I. Manual die zeichnenden Register, im II. Manual die zurückhaltenden Register (funktional: Begleitung und Echoeffekte), im Pedal: grundierende und tragfähige Bässe.
Zudem gibt es die Möglichkeit, den Klang mit der Oktavkoppel deutlich im Diskant einzufärben.

Die Disposition wurde nie verändert und ist seit 1892 bis in unsere Zeit authentisch für eben romantisches Klangempfinden:
Klangverschmelzung und Klangschönheit, Klangdichte durch lückenloses Crescendo und Decrescendo.
Sehr wohl gibt es Einzelaliquote, Zungen, Klangkronen bei grösseren Instrumenten.
Beim Typus von romantischen Dorforgel überzeugt auch hier das Konzept eines einheitlichen Klanges, der nie penetrant oder agressiv wird.

I. Manual: C-f´´´:
Principal 8´, Floete 8´, Viola di Gamba 8´, Octav 4´

II. Manual: C-f´´´:
Gedeckt 8´, Salicional 8´, Flauto dolce 4´

Pedal: C-d´:
Subbass 16´, Violon 8´

Traktur-System: Röhrenpneumatik.

Alle Koppeleinrichtungen sind verschieden konstruiert und konzipiert:
die Pedal-Coppel I.Man. zum Pedal und Pedal-Coppel II.Man. zum Pedal sind als Fußtritte angelegt,
die Manual-Coppel II - I und die Octav-Coppel I - I sind als Schieber (Regulierung: rechte Position) zu betätigen.
Eine sinnvolle Einrichtung mit absolutem Seltenheitswert.
Im Tutti ist die Wirkung (Koppelfunktion) allerdings nicht automatisch enthalten. Die Koppeln sind also additiv (zusätzlich) einzuschalten.
Sorgsam und sensibel registriert wird man viele Klangfarben suchen und finden, auch wenn es hier keine Mixtur als Klangkrone gibt. Dafür ist die Diskant (Superoctav) Koppel vorgesehen, die ihre Wirkung nicht verfehlt.
Weitere tonschöne und klangvolle Walcker-Orgeln in unserer Gegend:
Altenstadt: Kath. Kirche St. Andreas
Altenstadt-Waldsiedlung: ev.Martin-Luther-Kirche (ehemals Haiger-Langenaubach ev.Auferstehungskirche)
Bad Vilbel-Gronau, Bruchköbel-Butterstadt,
Frankfurt/Main: Domfilialkirche St. Leonhard, Frankfurt/Main: ev. Hoffnungsgemeinde sowie viele weitere Instrumente in der Bankenstadt, die der Verfasser dieses Artikels ausnahmslos alle kennen- und schätzengelernt hat.

Recherche / Text / Foto / Befund / Inventarisierungsbogen:
Christoph Brückner
music & more - freier Komponist & Organist
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