von der Synagoge ins Kino

Von der Synagoge ins Kino

Vor zwei Tagen las ich das Buch "Warum es die Welt nicht gibt" von Markus Gabriel, das mit einer schlüssigen Formel Religion und Kunst verband. Die Selbstfindung, so Gabriel, ist in beiden Quellen unserer Geistigkeit als Basisarbeit unterlegt.
Wege von der Religion zum Film, vom Mythos zum Mythos, das finden wir auch in Ralph Phillip Zieglers Büchlein "Ton und Atmosphäre", indem der Weg der Walcker-Orgel Opus 1849, Bj. 1915, III/35 Synagoge Offenbach zum National Theater Offenbach, Opus 2717, Bj. 1941, II/25 nachgezeichnet wird.
Eine Geschichte, wie sie nur in Deutschland passieren konnte. Dazu Geschichtsinterpretationen, wie sie ebenfalls nur aus Deutschland kommen kann, dem "Lande der Musik", sprich dem Lande der "Interpretationskunst" und des Kantischen Konstruktivismus.
Nach der Reichskristallnach wird aus der Synagoge ein Filmpalast und aus der "heiligen Maschine" eine Kinoorgel. Immerhin 11 Jahre nach Einstellung der Kinoorgelproduktion.
Es findet viel Imagination und glatte Ästhetik statt, indem man mit ein paar Pfeifenreihen und digital gesampelten Klängen, weiterhin an Romantik, Klassik und Kulturschaffen anzubinden versucht. Unser ganzer Gegenwartsstolz, unsere tolle Technik, unser übersteigerter Begriffshorizont, wird mit der Vergangenheit verdrahtet und bedeutsam wird betont, dass wir den Anschluß an große Zeitalter nicht verloren haben - in Verkennung der Tatsache, dass wir nur noch Altes rezipierend kein Neuschaffen mehr zulassen, und lieber daheim vor der Anlage uns Musik zuführen, als ins Konzert zu gehen. Erschöpfte sind wir, die mit digitalen Krücken und Symbolen herumhampeln, weil wir keinen Begriff von Aura und Genie mehr haben.
Vielleicht wird es einmal eine Wiederauferstehung der Orgel geben- dann aber niemals zu solch minimierten Bedingungen, wie es die heutige Zeit bietet.

Opus 1849 Synagoge Offenbach Opus 2717 Capitol Theater Offenbach